Medizin

Nikotin: So gefährlich ist das Rauchen für Taucher

Rauchen gilt als klarer Risikofaktor beim Tauchen: Bei einer groß angelegten Studie amerikanischer Tauchärzte konnte gezeigt werden, dass Tabakkonsumenten sehr viel häufiger einen Tauchunfall erleiden, als Nichtraucher. Der Unfall und Heilungsprozess ist auch deutlich langwieriger und komplizierter. Nicht ohne Grund ist Rauchen bei einigen Tech-Verbänden ein klares K.o.-Kriterium.

Raucherhusten: Unter Wasser sind die Sekretansammlungen gefährlich.

Fünf Millionen Opfer
Die Zahlen sprechen für sich: Weltweit sterben fünf Millionen Menschen pro Jahr unmittelbar an den Folgen des Nikotinkonsums. Rauchen ist dabei in Europa die größte Einzelursache für Erkrankungen und vorzeitige Todesfälle. Allein in Deutschland sterben täglich mehr als 300 Menschen an Krankheiten, die direkt darauf zurückzuführen sind. Tausende sterben an Krankheiten, bei denen das Rauchen indirekt beteiligt ist. Nikotin führt selbst bei geringem Konsum zur Ausbildung einer Lungenfunktionsstörung – selbst dann, wenn weniger als 20 Zigaretten pro Tag geraucht werden.  

Gefährliche Gasembolie 
Um die Gefährlichkeit zu begreifen, ist es wichtig zu verstehen, was beim Inhalieren von Tabakrauch im Körper geschieht. Die erste natürliche Reaktion des Körpers ist eine Engstellung der Atemwege, denn die Atemwege werden gereizt und lösen einen uralten Schutzmechanismus aus: Die Bronchien verengen sich, damit möglichst wenig des Giftstoffs eingeatmet werden kann. Das allein ist schon ungünstig, denn eine Verengung der Atemwege kann beim Tauchen dazu führen, dass das Atemgas nicht schnell genug entweichen kann. Häufig kommt es dabei zur Lungenüberblähung, die massive Folgen haben kann. Eine arterielle Gasembolie (Gaseinschluss) oder ein Pneumothorax (Luftansammlung im Brustkorb), bei dem die Lunge kollabieren kann, sind mögliche Gefahren. Bei einer Gasembolie gelangen Bläschen in den arteriellen Blutkreislauf. Die Luftblasen können dann Embolien (Verschlüsse) in den Endarterien des Rückenmarks, des Gehirns oder auch der Herzkranzgefäße verursachen. Die Folgen gleichen einem Schlaganfall. Beim Pneumothorax gelangt Luft in den Spaltraum in der Brusthöhle und behindert die Ausdehnung der  Lungenflügel, sodass die Atmung nur eingeschränkt funktioniert. Die ganze Sache wird dadurch verschlimmert, dass sowohl der heiße Rauch, als auch die darin enthaltenen Schwebeteilchen und chemischen Stoffe zu einer Entzündung der Schleimhaut der Atemwege führen. Da die entzündungsauslösenden Prozesse immer wieder einwirken, kommt es zu einer chronischen Bronchitis (Raucherhusten). Eine solche Entzündung ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Schleimhaut verdickt und damit die Atemwege einengt. Zusätzlich kommt es über das im Rauch enthaltene Nikotin zu einer vermehrten Sekretproduktion und gleichzeitig zu einer Lähmung der Flimmerhärchen der Schleimhaut, die diesen Stoff abtransportieren sollen. Zu allem Überfluss ist das produzierte Sekret auch noch äußerst zäh. Dadurch wird sowohl der natürliche Reinigungsprozess der Lunge, als auch der Gasaustausch erschwert. 

Air-Trapping: Große Gefahr für rauchende Taucher! Grafik: S. Timmann

Risiko Air-Trapping 
Ein weiteres Problem für rauchende Taucher ergibt sich, wenn das Sekret nur zum Teil anhaftet und das Einströmen von Atemgas in die Lungenbläschen erlaubt. Die gefangene Luft sorgt für massive Probleme, selbst wenn der Taucher sonst alles richtig gemacht hat. Beim Ausatmen wirkt das wie ein Ventil und kann das Entweichen der Luft aus Abschnitten der Lunge behindern. Hier droht ein Lungenriss! Dieses Phänomen nennt sich Air-Trapping. Wie kommt es dazu? Beim Aufstieg steigt der Druck immer weiter. Dabei können Lungenbläschen platzen – ein lebensgefährlicher Lungenüberdruckunfall ist die Folge. Die durch Tabakrauch hervorgerufene Engstellung der Blutgefäße hat den Effekt, dass die Entstehung von Bluthochdruck begünstigt wird. Beim Tauchen hat dies einen negativen Einfluss auf die Durchblutung der Körpergewebe und damit auf eine normale Stickstoffaufnahme und -abgabe, was zu Problemen bei der Dekompression führen kann. Wem bei diesem Themenbereich der Gedanke an einen Herzinfarkt oder Schlaganfall nicht schreckt, sollte bedenken, dass auch andere Gefäße betroffen sind. Wichtig ist dieser Zusammenhang übrigens für rauchende Frauen jüngeren und mittleren Alters, die ein deutlich erhöhtes Risiko haben, welches durch die Einnahme der „Pille“ noch verstärkt wird.

Tauchmedizin: Wie fit müssen Taucher sein?

Gefäßerkrankungen
Zigarettenrauch erhöht den Gerinnungsfaktor des Bluts. Die Gefahr für die Bildung von Thromben und Gefäßverschlüssen wird drastisch erhöht. Das Tauchen an sich erhöht die Werte der guten (HDL-Cholesterin) und  schlechten Blutfette (LDL-Cholesterin) und verschlechtert die Fließeigenschaften des Bluts. Zusätzlich werden auch die Innenwände der Blutgefäße geschädigt. Das alles führt zur Gefäßverkalkung und zum -verschluss. Dabei muss man sich nur die Zahlen vergegenwärtigen: Das Risiko an Erkrankungen des Herzens und der Kranzgefäße zu sterben ist bei Rauchern doppelt so hoch wie bei Nichtrauchern. Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, erhöht sich durch den Tabakkonsum um 50 Prozent! 

Nikotinkonsum verengt
die Atemwege. Grafik: S. Timmann

Krebsrisiko steigt
Wenn das Thema Gefahr durch Nikotingenuss erörtert wird, denken die meisten an Lungenkrebs: Rauchen ist der Hauptfaktor für die Entstehung von Karzinomen der Lunge und des Bronchialsystems. Bei Rauchern, die über einen Zeitraum von 20 Jahren täglich mehr als 20 Zigaretten rauchen, ist das Risiko ein Bronchialkarzinom zu entwickeln im Vergleich zu Nichtrauchern 20-fach erhöht. Die Langzeitprognose fällt für die Betroffenen ebenfalls meist negativ aus. Doch damit nicht genug: Das Rauchen gilt inzwischen als wesentlicher Auslöser für Kehlkopf-, Mund-, Zungen- und Luftröhrenkrebs. Auch Blasen-, Nieren-, Speiseröhren- und Bauchspeicheldrüsenkrebs werden durch den Nikotinkonsum verursacht. Selbst Gebärmutterhals- sowie Brustkrebs bei der Frau haben offenbar direkt mit den Rauchgewohnheiten der betroffenen Patienten zu tun. 

Auch das ist eine Begleiterscheinung des Nikotinkonsums: Wer viel raucht, sieht deutlich älter aus. Tabakkonsumenten bekommen faltigere Haut, was sich auch durch teure Cremes nicht verhindern lässt. Der Grund ist schlicht eine Minderversorgung der Gewebe und der Haut mit Sauerstoff durch die dauernde Gefäßengstellung in den durchblutenden und versorgenden Gefäßen. Hier ließe sich also eine Menge Geld sparen – für die Zigaretten und die meist sehr teuren Cremes, deren Nutzen zumindest wissenschaftlich fraglich ist.

Giftiger Blauer Dunst
Einen Aspekt sollten Taucher nicht vergessen: Tabakrauch enthält eine Vielzahl von Substanzen, von denen einige sehr gesundheitsschädliche Wirkungen besitzen. Problematisch ist dabei für Taucher besonders das Kohlenmonoxid. Dieses Gas bindet den roten Blutfarbstoff, sodass ein Teil dieser Blutkörperchen nicht mehr für den Sauerstofftransport zur Verfügung steht. Ein erhöhter Luftverbrauch und eine geringere Leistungsfähigkeit sind das Ergebnis, die für Taucher dramatische Folgen haben können. 

Tauchen und Rauchen

Sauerstoffproblem
Auch bei anderen Untersuchungen von Tauchmedizinern geriet das Thema Sauerstoff und Rauchen in den Fokus: Wie gefährlich sind Nitrox-Gemische für Taucher? Bei der Fragestellung, ob ein erhöhter Sauerstoffanteil  in der Atemluft zur Verschlechterung der Lungenfunktion bei Tauchern führt, wurde auch der Nikotinkonsum berücksichtigt. Die Ergebnisse der Untersuchung, die über mehrere Jahre lief, gaben im Hinblick auf den Sauerstoff Entwarnung. Es zeigte sich aber, dass diejenigen Versuchspersonen, die Raucher waren, über die Jahre eine deutliche Einschränkung der Lungenfunktion in Kauf nehmen mussten. Die Frage war grundsätzlich berechtigt, weil erhöhte Sauerstoffpartialdrücke auch toxisch sind und sich in Abhängigkeit vom jeweiligen Partialdruck und der Einwirkzeit die Lungenfunktion verändern können. Diese Beobachtung passt gut auch zu Befunden von jugendlichen Rauchern. Hier ließ sich nachweisen, dass es durch das Rauchen in relativ kurzer Zeit zu einer Verschlechterung der Werte in der Lungenfunktionsprüfung kommt, wobei vor allem die kleinen Atemwege betroffen sind.

Wenn Ängste beim Tauchen unerträglich werden

Unfallstatistik
Obwohl also Rauchen und Tauchen sich nicht gut vertragen, ist Rauchen unter Tauchern weit verbreitet. Immer wieder kann man Tauchguides beobachten, die von Zigarette auf Atemregler wechseln, oder direkt nach der „Pressluft-Zwangspause“ die glimmende Kippe im Mund haben. Wenig verwunderlich, dass sich in den Tauchunfallstatistiken sehr häufig als Begleiterkrankung das Wort Raucher findet. Doch dies allein will noch nichts heißen, denn das kann ja auch daran liegen, dass es eben mehr tauchende Raucher als Nichtraucher gibt. 

Langjährige Tabakkonsumenten lassen sich erfahrungsgemäß von Krankheitsstatistiken wenig beeindrucken. Worauf sollten also Taucher achten, die sich ihrer Nikotinsucht ergeben haben? Bitte nicht vor dem Tauchgang rauchen! Die Gefahr des Air-Trappings ist wesentlich erhöht. Wenn es ohne Rauch überhaupt nicht geht, sollten Sie immer erst nach dem Tauchgang zur Zigarette zu greifen, denn dann ist wenigstens „nur“ das Dekompressionsrisiko erhöht. 

https://www.youtube.com/watch?v=8WzRuXUNlSo

UNSERE EXPERTEN 

Prof. Dr. Claus-Martin Muth
Muth ist Facharzt für Anästhesiologie und Notfallmedizin, er arbeitet in Ulm.

PD Dr. Tim Piepho
ist Chefarzt für Anästhesiologie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier.

 

Prof. Dr. med. Claus-Martin Muth
PD Dr. Tim Piepho
ist Chefarzt für Anästhesiologie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier.