Aus Fehlern lernen Praxis Wissen

Aus Fehlern lernen: Falsch reagiert

W. Pölzer

Alle acht Taucher tauchen mehr oder weniger geordnet am Ankerseil ab.

T Max Frische

Vor einigen Jahren habe ich meinen Sommerurlaub in Kroatien verbracht und die Zeit genutzt, um meinen AOWD-Schein zu machen. Mit über 30 Tauchgängen habe ich mich ziemlich sicher unter Wasser gefühlt und wollte mich einfach fortbilden. Auf der Tauchbasis war gerade Hochbetrieb und so tauchte ich fast jeden Tag mit unterschiedlichen Buddies. Als Abschluss-TG für meinen AOWD-Kurs war eine Bootsausfahrt zu einem Unterwasser-Torbogen in rund 40 Meter Tiefe geplant. Mein Tauchlehrer hatte allerdings nicht nur mich und drei weitere AOWD-Schüler im Schlepptau, sondern auch noch drei weitere Gäste – vermutlich erfahrene Taucher.  Glattes Meer, schönes Wetter – alles wunderbar.

Geplant war neben dem Tieftauchgang danach noch die Übungen »Alternative Luftversorgung« im Knien am Grund und im Schwimmen. Kurz vor dem Abtauchen ist dann am Boot etwas Stress aufgekommen, weil die drei anderen Taucher schon vorher abtauchen wollten und nicht mit der Gruppe gehen wollten. Unser Guide/TL hat sich dann aber durchgesetzt, uns jedoch dann auch zur Eile getrieben. Ich habe mir noch meine kleine Kamera umgehängt, um ein paar Schnappschüsse zu machen (Fehler 1). Meinen Buddy kannte ich von einem gemeinsamen Tauchgang am Vortag. 

Als wir endlich alle acht im Wasser waren und halbwegs geordnet am Ankerseil abgetaucht sind, waren die drei anderen Taucher natürlich im Freiwasser und schon tiefer. Unser Guide hat sich bemüht die Gruppe zusammenzuhalten, was ihm aber nicht ganz gelang (Fehler 2). Trotzdem oder deswegen sind wir dann ziemlich zügig auf Tiefe gegangen und die ganze Gruppe ist dann durch den (wirklich sehenswerten) Torbogen getaucht. Dabei habe ich jede Menge Fotos gemacht und bin dann immer meinem Buddy nachgehetzt, weil der nur auf unseren Guide geschaut hat und gar nicht auf mich (siehe Fehler 1). Nach dem Torbogen hat unser Guide dann unsere Luft gecheckt. Im Nachhinein fällt mir ein, dass ich ihm das Finimeter brav hingehalten habe, aber selber gar nicht darauf geblickt habe. Vielleicht war ich von der Suche nach Fotomotiven zu sehr abgelenkt, aber vielleicht war ich auch von der Tiefe etwas beeinträchtigt (Fehler 3).

Ewas weiter oben sollten wir uns dann auf einen Felsrücken in so etwa 15 Meter Tiefe setzten und unsere Übungen machen. Gefühlt hat es ewig gedauert, bis wir vier Schüler alle endlich durch waren mit Zeichen für keine Luft geben und vom Buddy Oktopus atmen und dann das Ganze umgekehrt. Vor allem mein Buddy hat ewig gebraucht bis er seinen Regler gefunden hatte. Einstweilen hat er fleißig aus meinem Oktopus geatmet. 

Vermutlich, um etwas Zeit gut zu machen, hat sich der Guide dann entschieden, frei schwebend Aufstieg unter »alternativer Luftversorgung« gleichzeitig mit allen vier Schülern zu machen. Da ist dann etwas Chaos ausgebrochen, weil die beiden anderen Schüler dabei aufgestiegen sind, während mein Buddy und ich ein paar Meter abgesunken sind. Mit etwas zu wenig Luft im Jacket habe ich dann mit den Flossen geschlagen und bin ein wenig außer Atem gekommen während mein Buddy an meinem Oktopus hing. Irgendwann ist mir dann eingefallen, dass ich schon lange nicht mehr auf mein Finimeter geguckt habe (Fehler 4). Und da habe ich dann meinen Augen nicht getraut! Knappe 30 bar hat der Zeiger angezeigt – mit so wenig Luft war ich vorher noch nie im Wasser! Irgendwie ist mir plötzlich heiß und kalt gleichzeitig geworden. Ich hänge da deutlich unterhalb von zehn Meter Tiefe, mein TL beschäftigt sich gerade mit den anderen beiden Tauchschülern und mein Buddy saugt mir noch die letzte Luft aus der Flasche. Ich weiß nicht mehr, was ich meinem Buddy gedeutet habe. Irgendwie muss er meine aufkommende Panik mitbekommen haben, denn er hat endlich seinen eigenen Regler geschnappt und mir das Zeichen für »Auftauchen« gedeutet.  Wieder »frei« wusste ich plötzlich was zu tun ist: Ich muss nach oben – und zwar schnell (Fehler 5)! Die ersten paar Meter hatte ich den Regler noch im Mund, aber irgendwann ist mir dann eingefallen, dass ich ja beim Auftauchen ausatmen muss. Immer schneller nach oben schießend habe ich dann den Regler ausgespuckt, fest ausgeatmet und bin wie verrückt nach oben gestrampelt! Um mich herum nur Luftblasen. Aber das war mir egal, ich wollte einfach nur an die Oberfläche kommen! Das ging zum Glück schneller als gedacht und an der Oberfläche habe ich dann gierig nach Luft geschnappt. Kurz darauf ist dann auch mein Buddy und der Guide/TL mitsamt den anderen beiden Schülern aufgetaucht. Alle waren etwas durch den Wind, aber glücklicherweise ist weder mir noch den anderen etwas passiert. Später haben wir dann ausführlich darüber gesprochen und mir ist schon klar geworden dass ich völlig falsch reagiert habe. Aber wenn die Panik hoch kommt, kann man halt nicht mehr klar denken. Auf jeden Fall habe ich daraus gelernt und weiß nun auch, dass man aus einer Flasche mit 30 bar im Notfall noch gefahrlos atmen kann und ein kontrolliert oder unkontrollierter Notaufstieg immer die schlechteste Variante ist.

Fehleranalyse:

Fehler 1: Auch wenn im ersten Teil des bevorstehenden Tauchgangs keinerlei Übungen geplant sind, so sollte man zu Gunsten der eigenen Konzentration und, um das Gruppengefüge nicht zu sprengen, auf Ablenkungen, wie Kameras, verzichten.

Fehler 2: Je nach Vereinbarung mit den drei anderen Tauchern, könnte hier ein Fehler in der Planung gesehen werden. War der Tauchgang für die anderen drei als Tauchgang samt Guide ausgelegt, so hätte ein weitere Guide dabei sein müssen. War es als »freies« Tauchen für die drei Taucher ausgelegt, so hätte der Guide/Tauchlehrer nur bedingt darauf bestehen müssen, das Gruppengefüge aufrecht zu erhalten. 

Fehler 3: An diesem Punkt hätte der Guide darauf bestehen müssen, den Luftvorrat »angesagt« zu bekommen. So lässt sich unter anderem auch checken, ob eventuell ein Tiefenrausch vorliegt, weil auf Abfragen nicht richtig reagiert wurde.

Fehler 4: Vor Übungsbeginn hätte der Luftvorrat nochmal gecheckt werden müssen. Das hätte der Guide/TL abfragen sollen. So wäre die danach folgende Situation vermeidbar gewesen.  

Fehler 5: 30 bar sind in zehn Metern Tiefe ein völlig ausreichende Menge, um selbst unter Einhaltung des Sicherheitsstopps an die Oberfläche zu gelangen. Zudem sind ingesamt vier weitere Luftquellen im Wasser, um genau diesen völlig falschen Panikaufstieg zu vermeiden. Hier muss man den Guide/TL in die Verantwortung nehmen. Alle Schüler sollten für ihn jederzeit schnell erreichbar sein. Es scheint zwar nicht so, hätte aber gut möglich sein können, dass dies ein Tauchgang mit Dekompressionsstop-Pflicht gewesen wäre, dann hätte das Ganze schlimm enden können. In derlei Situationen, auch wenn es schwer ist: stoppen, denken, handeln. Sich dem Buddy verständlich machen, sich dem Guide nähern und gemeinsam das Problem lösen. Genau das macht einen erfahrenen und sicheren Taucher aus. Nicht die Anzahl der Tauchgänge im Logbuch.