»Heute kriege ich den Mistkerl!« raunt Thomas Oswald mit siegessicherem Grinsen. Man muss wissen: Der Basisleiter pflegt eine Privatfehde. Mit einem knapp vier Meter langen Fuchshai. Gewonnen hat bis jetzt leider immer der Fisch: »Jedesmal, wenn ich das Riesenvieh sehe und mich in Zeitlupe absinken lasse, geht es wieder auf Abstand.« Das gute Bauchgefühl wird den Exil-Mainzer heute leider im Stich lassen, weil der Silberrücken anderswo in der Tanon Strait herumstrolcht. Aber immerhin sind drei kleinere Artgenossen gekommen. Ein durchschnittlicher Tag. Schon vom Riffdach aus sieht man ihre Silhouetten mit der sichelförmigen Schwanzflosse über dem Sandboden in knapp 40 Meter Tiefe kreisen, ehe sie ein paar Meter zur Steilkante aufsteigen und ihren persönlichen Wimpelfisch auf einen Parasiten-Snack einladen. Der sich daraufhin an seinen Wunschhai heftet und einfach mitschwimmt.
Tatsächlich ist in der Fachliteratur bis heute kein Beispiel für Putzverhalten der Korallenfische an irgendeiner Hai-Art zu finden. Eine normale Putzerstation ist dieser Platz jedenfalls nicht. Die einzige, knapp einen Kilometer lange Steilwand in Oswalds erweitertem Vorgarten mutet eher an wie eine mobile Waschstraße, von der noch niemand weiß, wie groß sie wirklich ist und wie viele Haie sie aus der sardinenreichen Meeresstraße südlich des ehemals exklusiven Fuchshai-Mekkas Malapascua anzieht. Warum die Tiere je nach Lust und Laune ihre Routine unterbrechen und sich Tauchern spontan bis auf Armlänge nähern und so tatsächlich regelmäßig Weitwinkelfotos verhageln – für einen Pelagischen Fuchshai grenzt das schon an Rowdytum – das weiß nur Neptun.
Foxy Ladies
Was das Team der Sipaway Divers allerdings weiß: Mit Ausnahme der Monate Mai und Juni liegt die Trefferquote bei nahezu hundert Prozent. Mal schaut nur ein Hai vorbei, mal sind es sechs oder sieben, darunter auch Jungtiere. Aufgrund der Tiefe empfiehlt sich ein angepasster Nitrox-Mix, um zumindest eine gute halbe Stunde Grundzeit herauszuschlagen. Weil es dort unten andererseits aber länger dunkel bleibt, bleiben die lichtscheuen Tiere lange genug, um bei Interesse einen zweiten Tauchgang hinterherzuschieben. Zumal die Guides mittlerweile die Spielregeln der Haie verstehen. Thomas Oswald hat auch ohne den Riesenfuchs gut lachen: Mittlerweile ist klar, dass weit mehr Tiere zur Körperpflege in die Warteschleife einfliegen als ursprünglich geschätzt, und seine Basis ist die einzige vor Ort.
Nach dem Willen des zuständigen Bürgermeisters und des Barangay-Kapitäns als »Dorfvorsteher« der nächstgelegenen Gemeinde soll das auch so bleiben. Unabhängig davon, dass der Platz in einem überwachten Schutzgebiet liegt und zufällig gefangene Tiere – darunter sind auch Neugeborene – nach Möglichkeit zurückgesetzt werden. Dennoch werden Meeresbiologie-Masterstudenten der Uni Bremen, die eigentlich turnusmäßig vor Ort sind, um die Auswirkungen von UV-Strahlung auf Korallen zu untersuchen, die »Entwicklung« des Tauchplatzes mit betreuen. »Massenbetrieb will ich um jeden Preis vermeiden«, unterstreicht Oswald, der nach vielen Jahren im Verkauf beim Tauchreiseveranstalter Roger Tours oft genug erleben musste, wie so manches Juwel für schnelles Geld in Korallenschutt verwandelt wurde. »20 Taucher. Das ist für mich die Idealgröße an meiner Basis.« Ein Mann, ein Wort.
Ausgebremste Weltreise
Um das kaum sieben Kilometer lange 5000-Seelen-Inselchen Sipaway vor der Ostküste von Negros (nicht zu verwechseln mit Sipalay an der Westküste) als Reiseziel zu verstehen, muss man die Zeit zurückdrehen ins Jahr 1980, als ein Obst- und Gemüsegroßhändler namens Detlev Bilan während seiner wohlverdienten Weltreise die Philippinen kennen und lieben lernte, wobei die weibliche »Motivatesse« dafür ausgerechnet auf Sipaway lebte. Der Berliner Geschäftsmann war begeistert von der Freundlichkeit der Menschen auf der flachen, von Mangroven und Palmenhainen geprägten Insel. Wenige Jahre später wurde aus dem ersten Ausländer auf der Insel der wichtigste Arbeitgeber: Auf ein paar Strandhütten für Freunde folgten echte Bungalows, und irgendwann wurde der Erdfleck mit Blick auf die vielen hohen Kokospalmen auf den Namen »Whispering Palms Resort« getauft.
Die zweieinhalb Hektar riesige Anlage, die in der aktuellen Form seit den späten 1990ern existiert, ist optisch gewiss nicht mehr taufrisch, dafür aber enorm vielseitig und ideal für Familien. Neben Restaurant, Bar, Lounge, Salzwasserpool, Strand (eher zum Baden als zum Schwimmen geeignet), Volleyball- und Minigolfplatz, Bogenschieß-Anlage und diversen Entspannungsplätzen an und über dem Meer überrascht das »Whispering« mit einem Tiergarten, der als lizensierte Auffang- und Zuchtstation auch Vertretern bedrohter Arten, einschließlich Krokodil-Dame Stephanie, ihr Überleben sichert. Abgerundet wird das Angebot mit Ausflugsangeboten auf Sipaway und der zwei Kilometer entfernten Nachbarinsel Negros mit Stadttouren und Hochland-Wanderungen, etwa zum Wasserfall Malatan-og mitten im Dschungel. Gute Aussichten für die nichttauchende Begleitung und ein glänzendes Alibi für Gäste mit argem Nachholbedarf an Stickstoff.
Markanter Sandkasten
Da beißt der Fuchshai keine Sardine ab: Wer fischreiche Korallengärten wie aus dem Bilderbuch erwartet, wird beim ersten Eindruck am Hausriff womöglich den Steinfisch mimen. Das küstennahe und eher strömungsarme Tauchrevier von Sipaway liegt in einer flachen Meeresstraße, hat also mit einer zum Ozean hin geöffneten Halbinsel oder einer aus großer Tiefe emporgewachsenden Koralleninsel im offenen Meer nicht viel gemein. Wer aber der Liebe auf den zweiten Blick eine Chance gibt und sich auf das eigentümliche Gebiet einlässt, wird belohnt. Bestes Beispiel ist das Hausriff, das bis Sonnenuntergang auch im Buddyteam oder mit entsprechender Qualifikation in Eigenregie betaucht werden kann: Am Ende des langen Stegs, auf dem auch die Tauchbasis mitsamt Ausbildungspool untergebracht ist, führen Leinen über den Sand- und Schlammgrund zu Korallen, aber auch zu versenkten Objekten bis hin zum Jeepney und zu Algenfeldern. Klingt unromantisch, doch verschiedene Biotope ziehen ganz verschiedene, mitunter auch seltene wie ungewöhnliche Bodenbewohner an: Himmelsgucker, Zwergsepien, Ruderseeschlangen, Mantis Shrimps, Geisterpfeifenfische, Nacktschnecken und Strudelwürmer etwa, während nachts eine ganze Schalentier-Armee mit Krebsen, Krabben und Shrimps unterwegs ist.
Im 40-Meter-Bereich gibt es obendrein eine Gorgonie, in der mehrere Denise-Zwergseepferdchen leben. Rund um die Sandbank Campulabo erstreckt sich ein Schotterfeld, in dem wiederum andere Critter und viele Nacktschnecken leben. Ebenso wie im Schutzgebiet San Juan, wo zwischen Hartkorallengärten bei klassischer Rifffisch-Untermalung die gewohnte regionale Makrofauna von Candykrabbe und Sexy Shrimp bis zu Schaukelfischen zuhause ist. Und weil das etwas tiefer und weiter draußen gelegene Sahnestück Camote Reef ebenso wie San Juan seit 15 Jahren von der Umweltschutzbehörde »Bantay Dargat« vor illegaler Fischerei geschützt wird, geben sich dort auch Schwärme hunderter Füsiliere und mindestens ebenso viele Wimpelfische die Ehre. Dann und wann saust ein Pulk dicker Raubmakrelen über riesige Lederkorallen, weitläufige Felder filigraner Steinkorallen und vereinzelte Weichkorallenbüscheln und Gorgonien. Wo kommen nur plötzlich all die Korallen her?
Tauchclub-Atmosphäre
Später, während der entspannten Happy Hour an der runden Pavillon-Bar, werden Ausflugspläne geschmiedet, Tauchgangszeiten mit den Gästen abgesprochen und spontan für den nächsten Abend ein Blackwater Dive anberaumt – quasi die Antithese zum Hochglanz-Betrieb von der Stange. Die ursprüngliche Idee, am nächsten Morgen zur eineinhalb Bootsstunden entfernten 40-Meter-Steilwand Barilli mit ihren hängenden Gärten aus Weichkorallen aufzubrechen, verwirft Basisleiter Thommy kurzerhand. »Du hast jetzt schon kein Glück mit dem Sardinen-Schwarm am Hausriff gehabt. Also fahren wir morgen mal für eine Nacht runter nach Alcoy«, meint er und greift zum Handy, um den kurzen Dienstweg anzuleiern. »Was hältst Du von drei Tauchgängen und zwei oder drei Hai-Arten?« Okay, überzeugt. Vorher gehen wir aber frühmorgens nochmal die Fuchsis besuchen. Mal gucken, ob die Fehde mit dem Silberrücken in die nächste Runde geht.
Reiseinfo: Sipaway / PHILIPPINEN
Anreise
Flüge nach Manila starten fast täglich von allen großen Flughäfen in Deutschland, der Schweiz und Österreich (Preistipp: Turkish Airlines). Nach 40-minütigenm Inlandsflug nach Bacolod (mehrmals täglich) und zweistündigem Transfer über die Insel Negros trennt einen nur noch eine zehnminütige Überfahrt mit einer Bangka von Sipaway. Alternativ ist ein Transfer ab Cebu möglich.
Whispering Palms Resort
Neben fünf Standard- und vier Superior-Deluxe Zimmer gibt es drei freistehende Bungalows sowie fünf Familien-Deluxe-Zimmer. Alle sind mit Dusche, Twin oder Kingsize Betten, Deckenventilator, Wasserspender und Terrasse ausgestattet. Mit Ausnahme der Standard-Zimmer verfügen alle anderen Kategorien über Safe und Minibar, die freistehenden Bungalows zusätzlich über einen kleinen Wohnbereich mit zwei Schlafzimmern für bis zu vier Personen.
www.whispering-palms.com
Sipaway Divers
Üblicherweise wird morgens von der Tauchbasis eine Two tank-Ausfahrt angeboten, nachmittags eine One tank-Ausfahrt. Davon abgesehen erfolgt der Tauchbetrieb sehr flexibel und orientiert sich an den Gästen, wann immer es geht. Hausriff-Tauchen ist tagsüber immer möglich, Nachttauchgänge, Blackwater- und Early Morning-Ausfahrten zu den Fuchshaien kurz vor Sonnenaufgang. Bei Interesse werden mit der 15 Meter langen Fiberglas-Bangka Biliran auch Tagestouren nach Barilli (Steilwand mit Weichkorallen und Makromotove) für bis zu zehn Taucher angeboten.
Preisbeispiel
7 Nächte im Whispering Palms Resort mit Frühstück, 10 Tauchgängen und Transfers (Bacolod oder Cebu) kosten im Superior Deluxe DZ pro Person ab 840 Euro. Kombi-Tipp: 10 Nächte im Whispering Palms auf Sipaway (Superior Deluxe-DZ mit Frühstück) und 4 Nächte im Bon Bon Resort in Alcoy auf Cebu (Deluxe-Zimmer mit Frühstück) sowie insgesamt 20 Tauchgänge (frei einteilbar an beiden Tauchbasen) sowe alleTransfers: proPerson ab 1550 Euro. Der Gesamtpreis für alle Flüge schwankt saisonal zwischen 850 und 1100 Euro.
Kontakt & Buchung
info@sipaway-divers.net
www.sipaway-divers.net
Pauschalreisen nach Sipaway mit Flug sind auch bei den meisten Tauchreiseveranstaltern im Programm.