Martin Steinmeier Süsswasser
Reise Reportage

Gelegenheiten vor der Haustür

Unser Autor Martin Steinmeier schwärmt von Grenztauchgängen in heimischen Seen und all den kleinen Großartigkeiten, die es zu entdecken gibt.

Martin Steinmeier
Tobias Friedrich

Text: Martin Steinmeier

Nachdem »süßwasserfaule« Tauchende durch die Pandemie die Liebe zum Tauchen in den heimischen Seen wiederentdeckt haben, schauen wir uns ein paar Highlights an, die der Südwesten von Deutschland tauchtechnisch zu bieten hat. Wir zeigen, warum sich dieser Tauchtyp wieder ins Süßwasser verliebt haben könnte. Vielleicht findet der eine oder die andere Tauchende ja eine Inspiration für die nächsten Abstiege.

Als erstes ein ganz besonderer Tauchspot: Ein Highlight im tiefen Südwesten, mit der Möglichkeit, über die deutsch-schweizerische Grenze zu tauchen und quasi die »EU« zu verlassen. Hier findet man nicht nur einen außergewöhnlichen Tauchplatz, sondern auch die Möglichkeit, mit dem größten Jäger im europäischen Süßwasser hautnah zu tauchen. An der »Alten Zollbrücke« in Rheinau taucht man direkt im Rhein unter einer alten Holzbrücke von Deutschland in die Schweiz. Der Rhein ist an dieser Stelle noch ein ruhiger Geselle.

©Below Surface / Tobias Friedrich – Erste Hinweise auf die »Alte Zollbrücke« bei Rheinau stammen aus dem 13. Jahrhundert.

Direkt im Hauptstrom findet man im Flachwasser große Schnecken und viel Grün. Die Süßwasserstars findet man ein paar Flossenschläge weiter, wenn man in den kleinen, etwa zehn Meter tiefen Canyon taucht und bei leichter Strömung den Blick ins Freiwasser wirft. Normalerweise findet man sie am Tag eher versteckt, mit etwas Glück aber auch freistehend: Welse im Freiwasser. Der Tauchplatz ist nicht groß. Aber das Ambiente der alten Brücke, das Tauchen direkt im Rhein und die Welse machen ihn sehr speziell. Man kann sich den Tieren vorsichtig nähern und mit ihnen durch den Canyon tauchen. Wer also mal mit den großen Süßwasserjägern tauchen möchte und bisher noch nie das Erlebnis hatte, sollte sein Glück an der »Alten Zollbrücke« versuchen. Wann, wo und was zu beachten ist, findet man im Internet und den Tauchplatzbeschreibungen.

Ab in die Dunkelheit

Normalerweise ist der Wels am Tag eher nicht aktiv und versteckt sich im Schlick, in versunkenen Bäumen, dichtem Bewuchs oder Höhlen. Man kann ihn allerdings mit etwas Glück in der Nacht beim Jagen beobachten. Nachttauchen ist wie auch im Meer immer etwas Spezielles: Das eine Lebewesen kommt zum Vorschein oder wird aktiv, während sich andere zum Schlafen oder Ruhen verstecken. Grundsätzlich kann man alles, was in der Nacht aktiv ist, am Tag entdecken. Aber eben mit einer deutlich geringeren Wahrscheinlichkeit und Regelmäßigkeit.

Martin Steinmeier Süsswasser
©Martin Steinmeier – Egal, ob Freiwasser-Tauchgänge mit relaxten Süßwasserriesen, Nachttauchgänge mit schlafenden Zandern, Begegnungen mit Krebsen oder Kaulquappen des Ochsenfroschs: Tauchen in heimischen Gewässern hat mehr zu bieten, als es auf den ersten Blick scheint.

Was ist das Besondere in der Nacht?

Man kann den ruhenden Fischen nahekommen. Die Hechte, Aale und Welse gehen auf die Jagd und nutzen gern das Lampenlicht der Taucher, um an Beute zu kommen. Die Ochsenfrosch-Kaulquappen kriechen aus den Pflanzen hervor und lassen sich geduldig beobachten. An manchen Seen ist das auch am Tag möglich. Vor allem, wenn die Tiere schon Froschbeine haben und deutlich größer sind. Schon mal eine Lampe an einer Boje befestigt und einen »Black Water«-Tauchgang im See gemacht? Faszinierend, welche Kleinstlebewesen sich im Schein der Lampen nach einer gewissen Zeit tummeln. Einfach »austarieren«, im Wasser schweben und beobachten. Man entwickelt mit der Zeit ein Gefühl für »seine« Seen und kann gut einschätzen, wann der Ausflug an den See oder Fluss für die persönlichen Bedürfnisse passt und wann eher nicht.

»Die vielfalt des lebensraums süsswasser entfaltet sich beim blick auf die klein- und kleinst­lebewesen.«
©Martin Steinmeier – »Die Vielfalt des Lebensraums Süsswasser entfaltet sich beim Blick auf die Klein- und Kleinst­lebewesen.«

»Critter« in heimischen Seen entdecken

Das Süßwasser hat einiges zu bieten, wenn es um Kleinstlebewesen und die sogenannten »Critter« geht. Kleine Milben, Schnecken, Köcherfliegenlarven, Krebse, Kaulquappen und vieles mehr bieten nicht nur tolle Fotomotive, sondern lassen sich auch einfach nur gut beobachten, wenn man sie erst einmal gefunden hat. Die Schnecken rennen ja eher weniger weg. Aber mit einer vorsichtigen Annäherung und einem geübten Auge sieht man deutlich mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Und auch hier lohnt sich der Blick ins Freiwasser. Denn ist der Sommer warm, und die Wassertemperatur steigt über 25 Grad, so findet man hier auch kleine Süßwasserquallen (Craspedacusta sowerbii). Aber keine Angst! Die Tiere jagen nur Kleinstlebewesen und sind für Menschen vollkommen ungefährlich. Die Süßwassermeduse wird ungefähr so groß wie eine Zwei-Euro Münze. Und wie auch der Ochsenfrosch und seine riesigen Kaulquappen ist auch sie einst in unsere heimischen Gewässer eingewandert. 

Tauchen im Süßwasser wurde für viele Freunde des Unterwassersports in der Pandemie die neu entdeckte alte Liebe. An vielen verschiedenen Beispielen und Geschichten zeigt sich die Faszination, auch zu Hause das Tauchgerödel ins Auto zu wuchten. Mein Beitrag hier ist nur ein kleiner Auszug über die Möglichkeiten. Mit etwas Werbung für das Süßwasser im Südwesten. Jeder kann sich selbst ein Bild machen und noch weitere Highlights entdecken. Aber hey, nicht gleich den Kopf in den Sand stecken, wenn es beim ersten Mal nicht der perfekte Tauchgang wird. Die Beziehung zum »eigenen« See oder Fluss muss schließlich erst einmal »wachsen«.

©Martin Steinmeier – Spiegelbild: Auch im Süßwasser gibt es zur richtigen Zeit am richtigen Ort richtig klasse Sichtweiten. Wie klar das Wasser ist, sieht man hier beim Blick in den Spiegel (Hunsfels), der, warum auch immer, hier unten gelandet ist. Perfekte Motivvorlage oder auch einfach nur, um zu checken, ob die Maske sitzt.