Fotoschule

Unterwasserfotografie: Nachts auf Fotopirsch

Mandarinfisch, Banda See, Indonesien
UW-Fotografen können bei Nachttauchgängen Motive in bestem Kontrast mit klaren Farben ablichten. Die Nacht ist deshalb auch die beste Zeit, um Bilder mit LED-Leuchten zu schießen, weil das störende Umgebungslicht fehlt. In absoluter Dunkelheit glühen auch schwache Farben, denn der Bildsensor wird nicht von irritierenden Lichteinflüssen beeinflusst – das Auge wird ebenfalls nicht durch nebensächliche Hintergrundaspekte abgelenkt.

Spätpatrouille im Meer

Papageifische spinnen sich in einen Kokon ein, Muränen sieht man freischwimmend durchs Riff gleiten. Jäger sind auf Beute aus, während ihre Opfer versuchen, sich zu verstecken. Im Sand, im Schlick, zwischen Korallen oder im Seegras. Normalerweise sind Nachttauchgänge mit der Kamera ein Fall für Nah- und Makro-Objektive. An bestimmten Orten gehen UW-Fotografen, aber auch mit Fisheyes bei Nacht ins Meer, um Mantas oder Haie mit zwei Blitzgeräten vor schwarzem Hintergrund auf den Sensor zu bekommen.  Im Roten Meer besteht bei Nacht immer die Gelegenheit, auf Spanische Tänzerinnen zu treffen. Das sind große, glutrote Nacktschnecken, die üblicherweise im Riff umherkriechen, aber gelegentlich auch im Freiwasser tanzen wie eine Primadonna. Dazu muss man sie nicht hochheben. Sie machen das freiwillig, wenn sie über eine Koralle kriechen und frei in der Luft hängen. Auf Spanischen Tänzerinnen leben Partnergarnelen, deren Abbildung eine Herausforderung darstellt. Auch die Kiemen der Schnecke sind eine Augenweide.

Der nachtaktive Wurm kann bis zu drei Metern lang werden, wobei nur ein kleiner Teil aus dem Sand herausragt. Foto: H. Frei

Ein besonderer Fall ist die Fotografie von Mandarinfischen. Diese bunten Tiere verlassen ihr Versteck im Korallenschutt nur in der Dämmerung: Die Bilder entstehen meist in der Zeit zwischen 17 und 19 Uhr. Die Guides kennen die Plätze. Wer geöffnete Korallenpolypen ablichten will, kann das am Tag nur in Höhlen machen. In der Nacht aber am gesamten Riff. Manchmal liegt auch ein kleiner Schleimfisch oder eine Grundel inmitten der Polypen. Das ist dann eine sehr attraktive Szenerie. Auch die großen Schlangensterne sieht man in Gänze ebenfalls nur in der Nacht. Dann kommen sie aus ihren Verstecken. Vollkommen auf die Nacht fixiert sind Gorgonenhäupter. Am Tag liegen sie unscheinbar zusammengerollt wie graue Knäuel auf Korallen. Wenn sich der Tag dem Ende neigt, erwachen diese seltsamen Geschöpfe zum Leben. Bei absoluter Dunkelheit bilden sie filigrane Fächer, um Plankton zu filtern. Meistens gelingt nur ein Bild, dann rollen sie sich im Schein des Pilotlichtes zusammen.
Süßwasser bei Nacht

Aale sind bei Nachttauchgängen hervorragende UW-Models. Foto: H. Frei

Nicht nur im Meer, auch im heimischen See bietet die Nacht das ultimative fotografische Abenteuer. Breitkopfaale gehen auf Jagd, Welse ziehen hungrig durch den See, alles verschlingend, was ihnen vor das riesige Maul kommt. Selbst Hechte, eigentlich visuelle Tagesjäger, scheuen sich nicht, über ihr Seitenlinienorgan den einen oder anderen Friedfisch zu erbeuten – sogar unvorsichtige Aale sind gelegentlich die Opfer. Süßwasserfische sind generell etwas scheuer, insbesondere an Karpfen, Schleien und die diversen Weißfische kommt man am Tag mit Pressluft nur sehr schwer heran. In der Nacht sind hingegen sogar Kopfporträts aus nächster Nähe möglich, weil die Fische vom Pilotlicht geblendet wie angewurzelt liegen bleiben. Nach eigenen Erfahrungen macht Süßwasserfischen helles Pilotlicht nicht allzu sehr zu schaffen. Aale sind etwas empfindlicher gegen grelles Licht, weil sie überwiegend nachtaktiv sind.
Achtung: Nicht in allen Seen ist Nachttauchen erlaubt. Und wenn, dann oft nur bis 22 Uhr. Das ist im Hochsommer nicht immer ausreichend für absolute Nachttauchgänge. Besser geeignet ist der Herbst, weil es früher dunkel wird.

Die Nacht ist immer voller Gefahren

Bei Nachttauchgängen sollten nur versierte Taucher unter Wasser. Die Kamera muss man blind beherrschen. Keinesfalls in Untermenüs herumsuchen. Wenn man sich vertippt hat, kommt man nur schwer wieder heraus. Stellen Sie die wichtigsten Parameter vor dem Nachttauchgang ein: Verschlusszeit und ISO-Zahl sollten fest eingeben sein. An der Blende dreht man so wenig wie möglich. Auch der Blitz sollte ohne nennenswerte Verstellung von Knöpfen und Rädchen funktionieren. TTL-Blitzen ist gut möglich, weil man sich im Nahbereich bewegt und Streulicht keine Relevanz besitzt. Wenn die Bilder nichts werden, ist das ärgerlich. Falls man sich versehentlich mit dem Knie auf einen Steinfisch legt, ist es allerdings nicht mehr lustig. In tropischen Meeren lauern Giftfische, Feuerkorallen und Anemonen, insbesondere in der Nacht, auf leichtsinnige Fotokünstler. Besondere Vorsicht sollten Sie in Gebieten mit lockerem Lavasand walten lassen: Dort schauen von vielen Giftfischen nur Augen und Stacheln aus dem Untergrund. Mit einem Zeigestäbchen, kann man das Areal vorher etwas abklopfen.

Immer Pilotlicht einsetzen!

Licht ist die Seele der Fotografie, besonders in der Nacht. Ohne vernünftiges LED-Licht geht nicht viel. Viele Blitzgeräte verfügen über ein zuschaltbares Pilotlicht, mit dem man die Motive suchen und den Blitz ausrichten kann. Zur Sicherheit sollten Sie aber zusätzlich eine kleine Handlampe mitnehmen. Sie ist auch hilfreich, um die unbeleuchtete Schalttafel des Blitzgeräts sicher bedienen zu können. Über die von der Lampe abgegebene Lichtstärke wird unter UW-Fotografen immer heftig diskutiert. Ist das Licht zu grell, vertreibt es eventuell die Tiere, aber der Autofokus zieht rasant in die Schärfe. Ist es zu schwach, gibt es unscharfe Bilder. Starkes und grelles Licht kann Fische paralysieren: Manche Hechte bleiben in der Nacht wie angewurzelt stehen, andere schießen mit Vehemenz auf die Lichtquelle zu – Verletzungsgefahr! Vernünftigerweise sollte das Pilotlicht dimmbar oder in Stufen schaltbar sein. Dann kann man mit schwachem Licht suchen und mit Flutlicht den Autofokus beschleunigen.

Fische im Rotlichtrevier?

Muränen verlassen bei Dunkelheit ihre Höhlen. Foto: H. Frei

Biologen verbreiten die Ansicht, dass Fische eine Rotlichtschwäche besitzen. Genau weiß man es nicht, aber bei Mandarinfischen und Krabben hat man damit Erfolg. Viele Meeresbewohner zeigen sich weniger aufgeregt als bei weißem Licht. Versuche im Süßwasser haben ergeben, dass auch Aale eine Schwäche für Rotlicht haben und ungestört weiterjagen. Der Autofokus zieht bei Rotlicht weitgehend störungsfrei in die Schärfe. Hersteller wie Inon und Seacam bieten für die mit einem Diffusor versehenen, hauseigenen Blitzgeräte schraubbare Mini-Rotfilter an. Das Rotlicht wird hier von einem weißen Licht umgarnt, das den AF unterstützt, aber die Tiere nicht beunruhigt.

Brennweiten in der Nacht

Wer nachts im Meer fotografiert, muss bestimmte Verhaltensregeln kennen und diese auch einhalten. Bei keinem UW-Gehäuse ist der Rückdeckel beleuchtet. Und genau dort befinden sich die meisten Einstellungen. Nur wenige Blitzgeräte besitzen eine weiße LED an der Schalttafel, die so viel Licht verstreut, dass man die Schalter und Knöpfe irrtumsfrei bedienen kann. Das bedeutet, dass wesentliche Einstellungen bereits an Land bei gutem Umgebungslicht vorgenommen werden sollten. In der Nacht beschränkt man sich auf Nah- und Makroaufnahmen. Makro-Optiken sind die erste Wahl. Ein nah einstellbares Kit-Objektiv ist ebenfalls eine gute Alternative, denn nicht alle Motive sind winzig klein. Für eine große Krabbe ist das 100-Millimeter-Makroobjektiv mit seinem schmalen Bildwinkel nicht unbedingt ideal. Ein 18–55-Millimeter-Zoom-Objektiv, das sich bis 25 Zentimeter nah einstellen lässt, ist da deutlich im Vorteil Kompaktfotografen können mit ihrem Zoom oft flexibler agieren als ein System-fotograf mit fester Makrobrennweite.

Was ist mit großen Bildwinkeln? Extreme Weitwinkel-Zooms oder Fisheyes sind in der Nacht selten sinnvoll zu verwenden. Man muss schon Großfishe wie Mantas, Zackenbarsche oder Haie ins Bild bekommen. Das kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dürfte aber eher selten der Fall sein. UW-Landschaften und Model-Fotos sind ebenfalls keine Optionen für die Nacht. Die Dunkelheit ist übrigens die beste Zeit, um festzustellen, ob man ein Blitzgerät mit großem Ausleuchtwinkel besitzt. Nachts werden die blumigen Verheißungen mancher Blitzgerätehersteller aufgedeckt, denn jetzt ist die Lichtstärke deutlich erkennbar. Mehr als ISO 200 ist beim Fotografieren in der Nacht nicht erforderlich. Mischlicht gibt es ja nicht. Auch wer mit ISO 100 arbeitet, macht nichts falsch. Für Nahaufnahmen reicht das allemal, ein mittelstarkes Blitzgerät vorausgesetzt. Außerdem verkürzen sich in der Nacht die Motivdistanzen, weil etliche Tiere vom Licht der Pilotlampe geblendet werden und wie erstarrt liegen bleiben.