Kontinentaldrift ja – aber wie?

Jahrtausende lang glaubten die Menschen, die Erde habe eine feste Form. Dass Kontinente sich bewegen, ist erst seit rund 50 Jahren wissenschaftlich anerkannt. Viele dabei wirkende Prozesse geben den Geologen noch heute Rätsel auf. Heute bricht nun das Forschungsschiff „MARIA S. MERIAN“ unter Fahrtleitung des Kieler Meeresgeologen Professor Jan Behrmann vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) zu einer fünfwöchigen Expedition in den Südatlantik auf, die grundsätzliche Fragen zur Kontinentaldrift beantworten soll. Ziel ist der sogenannte Walfischrücken vor der Küste Namibias. „Wir wissen immer noch zu wenig über das, was sich im Erdmantel abspielt“, sagt der wissenschaftliche Fahrtleiter Professor Jan Behrmann, „und wir wollen den Planeten, auf dem wir leben, einfach besser verstehen.“

Der Atlantik wird von Jahr zu Jahr breiter
Der Walfischrücken ist ein untermeerischer Gebirgszug, der sich von der nordnamibischen Skelettküste über 3000 Kilometer weit Richtung Südwesten bis zur Inselgruppe Tristan da Cunha mitten im Südatlantik erstreckt. Vom teilweise 5000 Meter tiefen Meeresboden erhebt sich das Gebirge bis zu 200 Meter unter der Wasseroberfläche. Seine Entstehung geht auf das Auseinanderbrechen des Großkontinents Gondwana zu Beginn der Kreidezeit vor rund 130 Millionen Jahren zurück. Seitdem entfernen sich die Bruchstücke Südamerika und Afrika immer weiter voneinander – aktuell mit etwa vier bis fünf Zentimetern pro Jahr. Der Atlantik wird also immer breiter, der Walfischrücken immer länger. Zur Entstehung dieser gewaltigen Gebirgskette gibt es allerdings zwei verschiedene Theorien.
Zwei Theorien
Eine Theorie geht von einem örtlich begrenzten Vulkanismus unter den Tristan-da-Cunha-Inseln aus. Hier würden demnach immer neue Vulkankegel gebildet, die mit der Kontinentaldrift nach Nordosten transportiert werden, erkalten und so die Gebirgskette bilden. Die zweite Theorie besagt, dass entlang des gesamten Walfischrückens vulkanische Aktivitäten die afrikanische Erdplatte schwächen und durch immer neue Brüche und Verschiebungen schließlich das Gebirge aufgetürmt wird. „Speziell dort die Vorgänge im oberen Erdmantel besser zu verstehen wäre interessant, weil wir dort modellhaft auch die Prozesse beim Auseinanderdriften zweier Kontinente beobachten können“, erklärt Professor Behrmann.

Die Messmethoden im Atlantik
Mit Hilfe modernster geophysikalischer Messmethoden werden die Geologen und Geophysiker den Walfischrücken untersuchen. Sie setzen unter anderem Ozeanbodenseismometer (OBS) ein, die feinste Schwingungen am Meeresboden messen können. Gleichzeitig mit den Vermessungen am Meeresboden ist an Land im Norden von Namibia ein großes Mess-Netz von Seismometern aufgebaut worden. Schallwellen werden in den Meeresboden und von Kollegen an Land gleichzeitig in den Kontinentalboden geschickt, von unterschiedlichen Gesteinsschichten verschieden gebrochen und reflektiert und schließlich von den OBS beziehungsweise den Seismometern an Land wieder aufgezeichnet. Andere Instrumente lassen über elektromagnetische Messungen Rückschlüsse auf die Beschaffenheit der Erdkruste und des darunter liegenden Erdmantels zu.

Zeitplanung
Der erste Fahrtabschnitt unter Leitung von Professor Behrmann dauert fünf Wochen. Am 29. Dezember steigen die Wissenschaftler in Walvis-Bay/Namibia wieder aus. Die Arbeit führt dann ein zweites Team unter der Fahrleitung von Dr. Wilfried Jokat vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven vom 1. bis 27. Januar 2011 fort. Da der erste Fahrtabschnitt auch Weihnachten umfasst, hat die Besatzung der „MARIA S. MERIAN“ vorgesorgt: „Der Weihnachtsbaum ist schon an Bord“, bestätigte Professor Behrmann kurz vor dem Auslaufen aus Mindelo.