Mit der Lupe am Meeresboden

Papua-Neuguinea ist eine Insel, die durch Prozesse im Erdinnern Zentimeter für Zentimeter auseinandergerissen wird. Dazwischen entsteht – in geologisch kurzer Zeit – ein neuer Ozean. Für die Wissenschaft ist dieser Prozess hoch interessant, weil er dort so gut wie sonst nirgends auf der Erde beobachtet werden kann. Geologen des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) haben jetzt ein wichtiges Stück des Meeresbodens vor Neuguinea erstmals hochauflösend kartiert und beprobt: Möglich wurde dies Dank des hochmodernen autonomen Unterwasserfahrzeugs „Abyss“. Von den Ergebnissen erhoffen sich die Meeresforscher neue Erkenntnisse über die Plattentektonik, die Geburt eines Ozeans und die damit verbundene Bildung von Rohstofflagerstätten in dieser sehr dynamischen Region der Erde.
Ziel der Expedition war das sogenannte Woodlark-Becken im Südwestpazifik vor Papua-Neuguinea. In diesem sehr jungen Teil des Weltozeans kann wegen der geringen Sedimentbedeckung das aktive Auseinanderbrechen eines Kontinents und die beginnende Ozeanbodenbildung beobachtet werden. Dafür hatten die Kieler Meeresforscher ein besonderes Instrument im Einsatz: das Autonome Unterwasser Vehikel (AUV) „Abyss“, das in der Lage ist, den Meeresboden mit einer Auflösung von weniger als einem Meter genau zu kartieren. Während dieser Expedition hat das AUV seinen bisher längsten Tauchgang mit knapp 20 Stunden und einer Strecke von 107 Kilometern erfolgreich absolviert. Bei insgesamt zehn Tauchgängen war „Abyss“ 80 Stunden unter Wasser und legte dabei insgesamt 435 Kilometer Wegstrecke zurück. Dabei sammelte „Abyss“ Daten von höchster Qualität.
„Mit ‚Abyss‘ blicken wir quasi wie mit einer Lupe auf den Meeresboden“, erklärt Dr. Klas Lackschewitz, Leiter des AUV-Teams. „Die bisher durchgeführte Meeresbodenkartierung von Schiffen aus liefert bei größeren Wassertiefen nur eine Auflösung von mehreren Zehnermetern, jetzt können wir Details in der Größe einer Getränkekiste erkennen“, so Lackschewitz weiter. Die dabei gewonnenen Daten erlauben eine deutlich bessere Grundlage für eine gezielte Probenahme und man müsse nicht auf gut Glück im Dunkeln stochern, freut sich der Wissenschaftler. Die neue Kartierung des hydrothermal aktiven Unterwasserberges „Franklin“ (siehe Abbildung oben links) zeigt beispielhaft, was modernste Technologie leisten kann.
Dank der genauen Kartierung konnten auch zahlreiche Gesteinsproben gezielt vom Meeresboden gewonnen werden. Dabei kam zum ersten Mal auch der neue, videogeführte Großgreifer des IFM-GEOMAR zum Einsatz. Er brachte zum Teil sehr junge Gesteine an die Wasseroberfläche. Sie geben Hinweise auf die jüngsten magmatischen Prozesse, die ablaufen, wenn sich neue ozeanische Erdkruste bildet und dabei einen Kontinent (hier: Papua-Neuguinea) aufbricht. „Im Woodlark-Becken wird mit geologischen Siebenmeilenstiefeln ein neuer Ozean geboren“, erläutert Expeditionsleiter Prof. Dr. Colin Devey. Jedes Jahr kommen dort acht Zentimeter dazu. Bei diesem Prozess entstehen auch heiße, sehr mineralhaltige Quellen, sogenannte Hydrothermalsysteme, die für die Bildung submariner Erzlager verantwortlich sind. Auch nach solchen Systemen hat „Abyss“ mit Temperatur- und Trübungssensoren erfolgreich gefahndet. „Genaueres erfahren wir aber erst, wenn wir das nächste Mal vor Ort sind“, sagt Colin Devey. „Dann bringen wir unseren Tiefseeroboter ‚KIEL 6000‘ mit, der zusätzlich Foto und Videomaterial liefert und noch feineres Probenmaterial sammeln kann“, so Devey. Jetzt wissen die Forscher immerhin, wo das Gerät am besten eingesetzt werden kann. 2013 soll es voraussichtlich weiter gehen. Weitere Infos: www.ifm-geomar.de